© pixabay.com

Herausforderungen meines Berufs - Teil 1: Beerdigungen.

Sun, 05 Jan 2025 07:04:54 +0000 von Anja Sievers

Ihr Lieben, ich werde mal 2 Reihen starten:
1. Herausforderungen meines Berufs
2. Highlights in meinem Beruf

Heute starte ich mit dem 1. Teil und zwar mit einer Herausforderung, nach der ich auch sehr oft gefragt werde: "Wie schaffst du das mit den Beerdigungen?"

Die Antwort ist: Ganz unterschiedlich! Manche Beerdigungen belasten mich nicht, wenn bspw. ein alter Mensch gestorben ist, der ein schönes, erfülltes Leben hatte, und den die Angehörigen - natürlich traurig - gut gehen lassen können, weil sie selbst in ein gutes Netzwerk eingebunden sind. Dann ist es ein Privileg nochmal mit der Familie auf das Leben des/der Verstorbenen zu schauen und die Hinterbliebenen ein Stück in dieser immer sehr intensiven Zeit zu begleiten. 

Schwerer ist es, wenn junge Menschen sterben oder der Tod für die Familie ohne Vorwarnung kam oder jemand sehr von diesem Menschen "abhängig" war oder der Tod mit schrecklichen Bildern verbunden ist. Die Familien dann in diesen schweren Ausnahmemomenten zu begleiten braucht viel Kraft.
Wo ich absolut an meine Grenzen kommen würde, wäre, wenn ich ein Kind beerdigen müsste. Ich bin Gott sehr dankbar, dass ich diese Herausforderung bisher nicht bekommen habe. 🙏🏼 Ob ich das könnte, kann ich tatsächlich nicht sagen... 

Ich mache mir vor emotional herausfordernden Gesprächen immer bewusst, dass es nicht meine Geschichte ist, dass Gott mit mir eine andere schreibt. Ich bitte Gott vorher, dass er mir genug Kraft gibt, die Familie begleiten zu können und auch, dass er mir die richtigen Worte zur richtigen Zeit gibt. 
Bei den Gesprächen vor der Trauerfeier braucht es oft keine Worte, sondern ein Ohr und ein Dasein. Empathie. 
Da fühle ich mich als "Medium", ich fühle die Trauer, die Wut, die Ohnmacht, die Freude und die Dankbarkeit der Menschen, aber ich behalte sie nicht, ich gebe sie an Gott weiter. So stelle ich es mir vor. 

Bei den Beerdigungen hilft mir dann der Talar. Er ist für mich dann wie eine Schutzhülle, denn in den Beerdigungen strömen soooo viele Emotionen auf mich ein, aber davon kann ich mich dann nicht mehr anstecken lassen, denn da ist meine Aufgabe gut und sicher durch den Abschied zu führen. Auch das mache ich mir vorher nochmal bewusst. Es würde niemandem helfen, wenn ich da auf einmal mit weine. 

Diese Abgrenzung klappt natürlich mal mehr und mal weniger gut. Wenn 500 Leute um einen Familienvater weinen, den ich selbst im Sterben begleitet habe, dann fällt mir das schwer. Die Kinder tun mir leid, die Frau, die Eltern, die Freunde... Da dann immer wieder: "Anja, es ist nicht deine Geschichte. Du bist hier, um stark zu sein, um den Abschied zu ermöglichen."
Aber ich bin auch keine Maschine. Wenn meine Stimme dann zwischendurch zittert, dann darf sie das. Nur zusammenbrechen sollte ich nicht.

An Tagen mit so "schwierigen" Beerdigungen mache ich keine anderen Termine, sondern gebe meiner Seele Zeit zu verarbeiten, was verarbeitet werden muss. Ich habe in unregelmäßigen Abständen Supervision, da nehme ich solche Beerdigungen und Begleitungen dann mit. Nicht dass sich da mal was "aufstaut".

Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass mich die meisten Abschiede nicht nachhaltig belasten, weil ich durch meinen Glauben darauf vertraue, dass die, die wir gehen lassen, gut bei Gott angekommen sind und es ihnen an nichts mehr fehlt. Das ist für mich eine sehr tröstliche Vorstellung, denn ich musste nach langer Krankheit sehr früh meine eigene Mutter beerdigen. Manchmal kann man nur bei Gott wieder gesund werden...
Quelle: Privat
Bestätigen

Bist du sicher?