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Herausforderungen und Highlights für Pastorinnen

Beerdigungen - Manchmal eine Herausforderung

Ihr Lieben, ich werde mal 2 Reihen starten:
1. Herausforderungen meines Berufs
2. Highlights in meinem Beruf

Heute starte ich mit dem 1. Teil und zwar mit einer Herausforderung, nach der ich auch sehr oft gefragt werde: "Wie schaffst du das mit den Beerdigungen?"

Die Antwort ist: Ganz unterschiedlich! Manche Beerdigungen belasten mich nicht, wenn bspw. ein alter Mensch gestorben ist, der ein schönes, erfülltes Leben hatte, und den die Angehörigen - natürlich traurig - gut gehen lassen können, weil sie selbst in ein gutes Netzwerk eingebunden sind. Dann ist es ein Privileg nochmal mit der Familie auf das Leben des/der Verstorbenen zu schauen und die Hinterbliebenen ein Stück in dieser immer sehr intensiven Zeit zu begleiten. 

Schwerer ist es, wenn junge Menschen sterben oder der Tod für die Familie ohne Vorwarnung kam oder jemand sehr von diesem Menschen "abhängig" war oder der Tod mit schrecklichen Bildern verbunden ist. Die Familien dann in diesen schweren Ausnahmemomenten zu begleiten braucht viel Kraft.
Wo ich absolut an meine Grenzen kommen würde, wäre, wenn ich ein Kind beerdigen müsste. Ich bin Gott sehr dankbar, dass ich diese Herausforderung bisher nicht bekommen habe. 🙏🏼 Ob ich das könnte, kann ich tatsächlich nicht sagen... 

Ich mache mir vor emotional herausfordernden Gesprächen immer bewusst, dass es nicht meine Geschichte ist, dass Gott mit mir eine andere schreibt. Ich bitte Gott vorher, dass er mir genug Kraft gibt, die Familie begleiten zu können und auch, dass er mir die richtigen Worte zur richtigen Zeit gibt. 
Bei den Gesprächen vor der Trauerfeier braucht es oft keine Worte, sondern ein Ohr und ein Dasein. Empathie. 
Da fühle ich mich als "Medium", ich fühle die Trauer, die Wut, die Ohnmacht, die Freude und die Dankbarkeit der Menschen, aber ich behalte sie nicht, ich gebe sie an Gott weiter. So stelle ich es mir vor. 

Bei den Beerdigungen hilft mir dann der Talar. Er ist für mich dann wie eine Schutzhülle, denn in den Beerdigungen strömen soooo viele Emotionen auf mich ein, aber davon kann ich mich dann nicht mehr anstecken lassen, denn da ist meine Aufgabe gut und sicher durch den Abschied zu führen. Auch das mache ich mir vorher nochmal bewusst. Es würde niemandem helfen, wenn ich da auf einmal mit weine. 

Diese Abgrenzung klappt natürlich mal mehr und mal weniger gut. Wenn 500 Leute um einen Familienvater weinen, den ich selbst im Sterben begleitet habe, dann fällt mir das schwer. Die Kinder tun mir leid, die Frau, die Eltern, die Freunde... Da dann immer wieder: "Anja, es ist nicht deine Geschichte. Du bist hier, um stark zu sein, um den Abschied zu ermöglichen."
Aber ich bin auch keine Maschine. Wenn meine Stimme dann zwischendurch zittert, dann darf sie das. Nur zusammenbrechen sollte ich nicht.

An Tagen mit so "schwierigen" Beerdigungen mache ich keine anderen Termine, sondern gebe meiner Seele Zeit zu verarbeiten, was verarbeitet werden muss. Ich habe in unregelmäßigen Abständen Supervision, da nehme ich solche Beerdigungen und Begleitungen dann mit. Nicht dass sich da mal was "aufstaut".

Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass mich die meisten Abschiede nicht nachhaltig belasten, weil ich durch meinen Glauben darauf vertraue, dass die, die wir gehen lassen, gut bei Gott angekommen sind und es ihnen an nichts mehr fehlt. Das ist für mich eine sehr tröstliche Vorstellung, denn ich musste nach langer Krankheit sehr früh meine eigene Mutter beerdigen. Manchmal kann man nur bei Gott wieder gesund werden...

Die Haustür im Pfarrhaus

Heute möchte ich etwas mit euch teilen, das viele nicht wissen, aber unser Alltag ist: Bittsteller an der Haustür.
Manchmal mehrmals pro Woche klingeln Menschen an unserer (privaten) Haustür, um nach Geld zu fragen. 
Die Regelung hier in unserer Gemeinde ist, dass es kein Bargeld gibt, sondern Einkaufsgutscheine für unseren Bad Nenndorfer Penny, mit denen wir einen Vertrag dazu haben. 
Für 10-20€ können die Menschen sich dann Lebensmittel kaufen. 
Manche Menschen sind dafür sehr dankbar, aber manchen reicht das nicht. Ich habe schon sehr unschöne Situationen erlebt in meiner Zeit als Pastorin, die von Bedrohungen, Beleidigungen, Forderungen, Fuß in der Tür reichten... Unsere Kinder dürfen unsere Haustür nicht allein öffnen und auch ich mache sie nicht auf, wenn es dunkel ist und ich nicht sehen kann, wer vor der Tür steht. Das ist schon oft doof für uns. 
Aber natürlich verstehe ich die Not der Menschen.

Wir haben im Moment auch vermehrt Anfragen von Menschen, bei denen nicht nur mal das Geld nicht zum Einkaufen gereicht hat, sondern die größere Unterstützung brauchen, weil das Leben sehr teuer geworden ist! Da beraten wir gemeinsam mit dem Kirchenvorstand, wie wir damit in den Einzelfällen umgehen. 

Ich helfe gerne. Jeden Sonntag sammeln wir im Gottesdienst eine Kollekte für die Diakoniekasse, woraus solche Unterstützungen bezahlt werden. Die ist gut gefüllt, wir können ohne Probleme Menschen helfen. 
Wenn ich allerdings merke, dass ich ausgenutzt werde, dann bin ich enttäuscht und werde wütend. Letztens kam eine Rechnung von einem eingelösten Gutschein und da hat der "Bedürftige", der angeblich kein Essen mehr hatte, 2 Wetterstationen gekauft... In meiner alten Gemeinde kannten wir einige Hausierer schon, die systematisch die Pfarrhäuser abgeklappert haben und mit sehr "interessanten" Geschichten versucht haben Geld abzugreifen. Dafür ist das Geld natürlich nicht gedacht!

Ich glaube schon, dass all diese Menschen Hilfe und Unterstützung brauchen. Niemand bettelt gerne, nehme ich an. Aber vielleicht bräuchte manch einer eher Seelsorge als Geld. Für uns ist es schwer auseinanderzuhalten, wer wirklich bedürftig ist und wer uns ausnutzen möchte. 

Heute war jemand da, der gefragt hat, ob wir Brot und Käse für ihn hätten. Heute und morgen hat Penny ja nicht offen, deshalb habe ich ihm natürlich ein großes Paket (von uns privat) mit ein paar Leckereien gepackt. 
Wir haben mehr als genug, deshalb gebe ich auch gern ab. Auch wenn es für uns als Familie nicht immer ganz einfach ist. Aber so ist das eben im Pfarrhaus. 😉 Ich habe dann vom Amtszimmer aus gesehen, dass er noch auf der Straße ein Brot gegessen hat. Das hat mich schon sehr berührt. Vielleicht hat er auch zu Hause etwas zu essen, vielleicht wollte er in diesen Tagen auch einfach nur wahrgenommen werden und mit jemandem reden?! Ich weiß es nicht.
Umso mehr ärgern mich dann die schwarzen Schafe dazwischen, die es ausnutzen und dazu beitragen, dass wir misstrauisch werden und manchmal eben auch nicht so gern geben. Aber so wie Jesus es gesagt hat, so halte ich es, auch wenn man dann eben mal Gefahr läuft, dass es auf Unehrlichkeit trifft: "Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben." Mt. 25,35